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Heilung: Was tue ich - was tut
Gott?
Vergeben ist ein Schritt auf dem Wandlungsweg
Liebe Freunde
Im Rahmen unserer Vernetzungsarbeit laden wir Seelsorgeverantwortliche aus Gemeinden zu
uns ein. Beim gegenseitigen Kennenlernen und Austauschen begegnen wir oft auch der Frage
in unserem Titel. Gemeinsam darüber nachzudenken ist erbaulich und ermutigend.
Viele Menschen kommen zu Gott mit der Bitte, dass er ihnen das Mühsame wegnähme (siehe
Freundesbrief Nr. 17). Dazu sind ihnen und ihren Helfern viele Mittel dienlich. Manchmal
jedoch wird dadurch die Mühsal noch verstärkt. Gott nimmt uns das Mühsame nicht einfach
weg, sondern möchte, dass wir dieses anschauen, nach Alternativen fragen. Und auf diesem
Weg wird Gott das Mühsame zu etwas Neuem wandeln. Verfolgen wir diesen Weg anhand eines
kommentierten Beispiels:
Hören wir auf die Geschichte einer Frau
Mein Vater hat mir früher wiederholt gesagt, ich sei zu nichts nütze. Auch später
während der Schulzeit habe ich dies oft hören müssen. Das hat mich sehr verletzt und
ich spüre diesen Schmerz noch heute. Ich bat Jesus Christus oft darum, dass er mich von
dieser Verletzung heilt und dass er mir so meine Minderwertigkeitsgefühle, mein ewiges
Vergleichen mit anderen wegnimmt. Es wurde mir gesagt, dass das Mittel dazu das Vergeben
sei. Ich war gehorsam und habe meinen Eltern vergeben, insbesondere meinem Vater. Es
stellte sich ein Gefühl der Befreiung und des Glücks ein, ich atmete auf, endlich frei!
- Dann nach einigen Monaten an meinem Arbeitsplatz: meine Kollegin fährt mich an und
sagt, ob ich denn noch immer nicht mit diesem Kopiergerät umgehen könne. Und da war es
wieder, dieses stechende Gefühl des Verletztseins und der Minderwertigkeit. Die alten
verletzenden Gefühle waren in ihrer ganzen Grösse wieder da!
Doch das Schlimmste kam erst noch. Einige Leute sagten mir darauf, ich hätte halt nicht
richtig vergeben. Dies war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich fühlte mich jetzt
noch unfähiger, noch minderwertiger. Meine Beziehung zu Gott fing an zu wanken, ich hatte
das Gefühl, auch Gott nicht genügen zu können und mich ihm gegenüber nicht richtig zu
verhalten. Mehr und mehr distanzierte ich mich von Menschen und auch von der Gemeinde. Ich
konnte lange niemandem sagen, dass ich an Gott zweifelte und im innersten Wut empfand
gegenüber diesem Vater im Himmel.
In der Beratungsarbeit lernt jemand genau und ehrlich zu beobachten. Bei der Frau
wiederholte sich bald das alte Muster, dieselben verletzenden Gefühle kamen wieder auf.
Offensichtlich war der Zeitpunkt des Vergebens nicht der richtige. Jemandem vergeben ist
eine Liebestat, welcher ein persönlicher Wandlungsweg in der Gegenwart vorausgeht. Das
Bedürfnis, jemandem zu vergeben, erwächst auf dem Versöhnungsweg, auf dem Weg der
Heilung den jemand geht.
Der mühsamen Seite begegnen - Versöhnung mit sich selbst
Die Frau macht sich auf den Weg und nimmt wahr, dass es in ihr drin eine Seite gibt, die
sie als minderwertig empfindet. Früher war ihr Bestreben, diese - aus ihrer Sicht -
minderwertige Seite möglichst zu verstecken, vor sich selber und vor anderen Menschen.
Sie hatte Verhaltensweisen entwickelt, diese Seite zu überdecken und sich so vor
möglichem Schmerz zu schützen. Nach aussen liess sie sich möglichst nichts anmerken,
sie versuchte sich stark zu geben [ðThema Schuld]. Die Spannung und der Kampf
in ihr wurden immer unerträglicher. Dies führte sie dann in eine Seelsorge, wo mit dem
Mittel des Vergebens versucht wurde, das Mühsame endlich los zu werden. Zu jenem
Zeitpunkt wäre es jedoch erst mal um die
Begegnen mit der mühsamen Seite in ihr drin gegangen:
Du, meine Unsicherheit, meine Überforderung, mein Gefühl nicht zu genügen... ich
schaue dich an. Du gehörst zu mir. Ich wollte dich nicht wahrhaben, ich wollte dich los
werden, ich habe dich bekämpft, dich versteckt vor mir selber und vor anderen Menschen.
Ich habe gegen mich selber gekämpft und mich so mir selber gegenüber schuldig gemacht.
Ich spüre es auch jetzt, am liebsten würde ich dich aus mir herausreissen oder jemand
bitten, der dich mir wegnimmt. Aber ich weiss mittlerweilen, dass dieser Kampf sinnlos
ist. Ich versöhne mich mit dir, du gehörst zu mir.
Ein weiterer Schritt: Suchen nach alternativen Verhaltensweisen
Als Kind hatte sie nicht die Möglichkeit, sich anders zu verhalten. Sie musste sich vor
dem Schmerz schützen. Heute jedoch drücken die Kinderschuhe. Die Frage lautet: Wie kann
ich in gegenwärtigen, ähnlich verletzenden Situationen anders umgehen? [ðThema:
Ehrlichkeit gegenüber mir selber und anderen Menschen] Zum Beispiel: Schwächen annehmen
als Teil von mir; da wo es nötig ist Nein-sagen; in Beziehungen Grenzen wahrnehmen und
setzen; den Mut haben, wo nötig quer zu stehen usf. Dieses Suchen nach Alternativen löst
neue Ängste und Befürchtungen aus.
Beiden Seiten begegnen: Den alternativen Verhaltensweisen und den dabei aufkommenden
Ängsten und Befürchtungen
Ich spüre jetzt Angst in mir und viele Stimmen, die sich dagegen stellen: Wie
stehst du denn da vor anderen Menschen, wenn du zu Schwächen stehst; man lacht dich aus,
wenn du dich wehrst; niemand wird dich verstehen, du wirst Beziehungen verlieren! - Herr,
Gott, ich suche Zuflucht bei dir, du bist mein Fels und mein Schutz. Ich komme mit meinen
alternativen Verhaltensweisen und den dabei aufkommenden Ängsten und Befürchtungen zu
dir. Mit dem Mühsamen berge ich mich bei dir. Du stehst mir auf diesem Weg bei und bist
mir Schutz und fester Boden unter den Füssen. (Psalm 62,6-9).
Es ist ein Geheimnis: Gott wandelt auf diesem mühsamen Wandlungsweg Schwäche zu Stärke!
(2. Korinther 12,9)
Ich stehe zu meiner mühsamen Seite, meinen Schwächen und Unsicherheiten, sie
gehören zu mir, ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Ich stehe auch nach aussen dazu: ich
fühle mich jetzt unsicher, es ist jetzt für mich gerade unangenehm oder peinlich. - Und
ich erlebe, wie daraus eine innere Stärke heranwächst. Ich kann jetzt mit dem mühsamen
Kopiergerät umgehen, weil ich auch sagen kann, wenn ich mich mal unsicher und
überfordert fühle damit. Sollte mich meine Kollegin oder jemand anders wieder einmal
lieblos auf meine Schwäche hinweisen, so bin ich jetzt innerlich darauf vorbereitet. Ich
kann ihr sagen, dass mich das verletzt und es mich stört, wie sie mit mir spricht. Die
Situation wird immer noch mühsam sein, aber sie wirkt nicht mehr mit der
niederschlagenden Schärfe auf mich wie früher.
Bedingt durch die Wandlung in der Gegenwart löst der Blick in die Vergangenheit
angenehmere Gefühle aus
Heute kann ich in meine Vergangenheit zurückschauen, ich sehe die verletzenden
Situationen deutlich vor Augen - aber meine Gefühle haben sich gewandelt; da ist nicht
mehr dieser Stich, der durch meinen ganzen Körper fährt. - Durch die Wandlung in
der Gegenwart kann sie zurückschauen und den damals schmerzlichen Situationen begegnen.
Die Vergangenheit muss nicht abgeschnitten oder begraben werden.
Als Folge einer Wandlung begegnet uns das Bedürfnis, von Herzen zu vergeben
Das Bedürfnis, meinem Vater zu vergeben, ist gewachsen. Ich kann es nun, weil ich
auf meinem Versöhnungsweg bereits Heilung erfahren habe. Ich habe echte Alternativen
gefunden, mit meinen Minderwertigkeiten und Verletzungen umzugehen. Auf Gott ist Verlass,
er steht mir bei in meiner Mühsal.